Humanitäre Hilfe statt Ruhestand

06. November 2018

Zu Afrika hatte Professor Dr. med. Ulrich Vetter (68) vorher keinen Bezug. Nicht mal im Urlaub. Das änderte sich vor drei Jahren, als der ehemalige Kinderarzt in den wohlverdienten Ruhestand trat. Durch Einladung eines Bekannten  wurde er Mitglied im German Rotary Volunteer Doctors e. V. (GRVD e.V.) – der Verein gehört zu den Rotariern, einer Gruppe engagierter Menschen, die sich weltweit humanitären Diensten verschrieben hat. Für diese Organisation engagiert er sich seitdem für das Holy Family Hospital in Techiman (Ghana).

Das wiederum kam Jörg Marx, Vorstand AGAPLESION gAG, zu Ohren. Er suchte nämlich nach einem Hilfsprojekt, das zur christlichen Identität des Gesundheitskonzerns passt. Beide Männer kennen sich, da Prof. Vetter bis zu seinem Ruhestand Geschäftsführer der AGPLESION DIAKONIE KLINIKEN KASSEL war. Dank seiner Kontakte fand Prof. Vetter ein evangelisches Krankenhaus in Ghana, das sich als Kooperationspartner anbot: Das Methodist Faith Healing Hospital (MFHH) in der Kleinstadt Ankaase. 

Prof. Vetter konnte viel Information über das MFHH sammeln, das zur Methodistischen Kirche gehört. In Afrika ist der Wahl-Mainzer und gebürtige Neu-Ulmer nicht ärztlich tätig, sondern er organisiert, koordiniert, recherchiert und stellt Anträge auf Fördermittel z. B. beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Vor Ort schaut er sich die Einrichtung und den Arbeitsalltag an, bespricht sich mit den Geschäftsführern und entwickelt Zukunftsperspektiven für eine Kooperation. 

„Beim ersten Besuch war ich positiv überrascht“, sagt  Vetter. „Das MFHH ist für ghanaische Verhältnisse relativ gut ausgestattet, auch wenn im Vergleich zu Deutschland unter erschwerten Bedingungen und mit einfachen Mitteln gearbeitet wird. Unterstützung bei Medizintechnik und neuen Untersuchungsmethoden könnten sehr hilfreich für die weitere Entwicklung sein.“ Im katholischen Holy Family Hospital in Techiman hat Prof. Vetter den positiven Effekt erlebt: „Als die Rotarier ihr Engagement hier vor etwa sechs Jahren starteten, waren nur drei Ärzte beschäftigt. Seit der Ernennung zum Lehrkrankenhaus sind mittlerweile über 30 Ärzte angestellt.“ Dieser Status, meint er, sei auch für das Methodist Faith Healing Hospital realistisch. „Die Klinik der Kwame Nkrumah Universität im 30 Kilometer entfernten Kumasi könnte junge Ärzte dann zur Ausbildung schicken.“

Für die Menschen in Ankaase und in der Region Ashanti wäre das ein großer Fortschritt. Das derzeit 80-Betten-Distriktkrankenhaus ist für 155.000 Menschen zuständig. Zum medizinischen Personal gehören 8 Ärzte und 10 Medical Assistants und rund 100 Krankenpflegekräfte, die teilweise eine Weiterbildung zur Fachkrankenschwester haben. Was dringend fehlt, ist eine Notfallaufnahme. „Innerhalb von 24 Stunden stirbt bis zur Hälfte aller eingelieferten Schwerkranken und Unfallopfer“, berichtet Prof. Vetter. Ihr Gesundheitszustand bei der Ankunft ist meist sehr schlecht. Denn anders als in Europa gibt es keine Rettungswagen und viele Menschen werden auf dem Rücken – oder, wer Geld hat –, mit dem Fahrrad oder Taxi ins Krankenhaus gebracht.

Malaria, Lungenentzündungen und Durchfallerkrankungen stehen ganz oben auf der Liste der Akuterkrankungen. Doch auch schwerste Unfälle sind gang und gäbe. Lkw und andere Fahrzeuge mit gravierenden technischen Mängeln, die in Deutschland schon lange aus dem Verkehr gezogen worden wären, fahren auf schlechten Straßen, übermüdete Fahrer sitzen am Steuer – mit fatalen Folgen. Auch im Krankenhausalltag gibt es viele Herausforderungen zu meistern: „Weil Waschmaschinen fehlen und Trockner, mussten Operationen schon aufgrund fehlender hygienischer OP-Bekleidung abgesagt werden“, berichtet Prof. Vetter, der mittlerweile schon sechs Mal in Techiman und drei Mal in Ankaase war. „Oder Ärzte und Krankenpflegekräfte müssen in überhitzen Räumen bei 40 Grad arbeiten, weil das Geld für Klimaanlagen und Strom fehlt.“

„Ich finde es toll, dass sich AGAPLESION in Ghana engagiert“, sagt Prof. Vetter. „Die konzernweiten Einrichtungen können maßgeblich dazu beitragen, dass die Gesundheitsversorgung der Menschen in Ankaase und der angrenzenden Region Afygya Kwabre steigt, und dass das Methodist Faith Healing Hospital sein Potenzial entfalten kann. Ich danke allen ganz herzlich, die das Projekt unterstützen.“

Prof. Ulrich Vetter vor dem Methodist Faith Healing Hospital (2018).

Prof. Ulrich Vetter vor dem Methodist Faith Healing Hospital.

Joseph Amankwaa (l.) und Prof. Ulrich Vetter auf dem Gelände des Methodist Faith Healing Hospital (MFHH) in einem Neubau

Joseph Amankwaa (l.) und Prof. Ulrich Vetter auf dem Gelände des Methodist Faith Healing Hospital (MFHH) in einem Neubau.