Bundesverwaltungsgericht: "Grundrechte freigemeinnütziger Krankenhäuser könnten verletzt sein"

02. Dezember 2025

Frankfurt am Main, 02.12.2025 – Die Stadt Frankfurt ist mit ihrem Versuch gescheitert, die Klage der AGAPLESION Frankfurter Diakoniekliniken auf Unterlassung von Millionenzuschüssen an das städtische Klinikum Höchst an ein Zivilgericht zu verweisen und somit als rein wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung einzustufen.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hält es für „… nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die beanstandete Mittelgewährung der Beklagten eine Ungleichbehandlung von Plankrankenhäusern darstellt, die die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt haben kann“. In einem letztinstanzlichen Beschluss und mit ungewöhnlich klaren Worten hat das Bundesverwaltungsgericht nun Position bezogen und die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit festgelegt: „Die Grundrechte schützen den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen durch hoheitliches Handeln jeder Art. Er kann daher, wenn ihm eine solche Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen.“

Weiter argumentiert das Gericht: „… eine Ungleichbehandlung setzt eine unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte voraus.“ Es sei dem "Hoheitsträger" zwar nicht verboten, zu differenzieren. Differenzierungen bedürften jedoch „… stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.“ Das Bundesverwaltungsgericht weiter: „Dabei ist freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern ausreichend Raum zur Mitwirkung an der Krankenhausversorgung der Bevölkerung zu geben, soweit sie dazu auf Dauer bereit und in der Lage sind (§ 1 Abs. 3 Satz 2 HKHG 2011). Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 KHG ist nach Maßgabe des Landesrechts insbesondere die wirtschaftliche Sicherung freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser zu gewährleisten.“

Hintergrund der Klage von AGAPLESION ist, dass trotz unbestrittener Überversorgung kommunale Krankenhäuser in erheblichem Umfang und dauerhaft durch kommunale Subventionen erhalten werden. Zwischen vier und fünf Milliarden Euro wurden allein 2024 von den Kommunen an ihre Krankenhäuser überwiesen. Dies geschieht unabhängig davon, ob sie für die Versorgung der Bürger in einer Stadt oder einem Landkreis nach Experteneinschätzung tatsächlich notwendig sind und obwohl sie mit Patienten- und Mitarbeitermangel zu kämpfen haben.

Durch die politische Einflussnahme, so argumentieren freigemeinnützige und private Träger, würden hier Strukturen erhalten, die zu Ineffizienz und mangelnder Zukunftsorientierung der deutschen Krankenhauslandschaft beitrügen. In der öffentlichen Debatte um notwendige Reformen würden vorrangig "Systemfehlsteuerungen" der privaten und gemeinnützigen Träger für die Kostenexplosionen bei gleichzeitiger mangelnder Qualität verantwortlich gemacht. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die wirtschaftlich bedrohliche Situation für viele Krankenhäuser hat in den letzten Jahren zu zahlreichen Insolvenzen geführt, allerdings fast ausschließlich bei gemeinnützigen und privaten Trägern. Beide haben keinen Zugang zu kommunalen Geldquellen.

Dass die „politischen Renditen“, die Kommunalpolitiker aus ihren Krankenhäusern ziehen, nachweisbar knappe Ressourcen fehlallokieren, werde wegen parteipolitischer Kalküle billigend in Kauf genommen, so der Vorstandsvorsitzende der AGAPLESION gAG, Dr. Markus Horneber, in einem Kommentar zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts. „Der Beschluss hat politische Sprengkraft und ich hoffe, dass spätestens vor dem Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz diese Situation beendet wird.“

Dr. Horneber ergänzt: „AGAPLESION steht für das Leistungsprinzip, die Würdigung der engagierten und fachlich ausgezeichneten Arbeit so vieler frei-gemeinnütziger Krankenhäuser in Deutschland, für unternehmerische Innovationskraft und für zielgerichtete Instrumente zur Qualitätssteuerung, anstelle der entfesselten Regulationsspirale der vergangenen Jahre, die sich für die Krankenhäuser inzwischen wie eine "eiserne Jungfrau" anfühle. Wenn sich dann auch noch die Hoheitsträger in Form von Städten oder Landkreisen selbst über zentrale Prinzipien der Krankenhausfinanzierung hinwegsetzen, dann fühlen wir uns verpflichtet, für unsere Mitarbeiter und unsere Organisation aufzustehen und einzutreten.“

Der Professor für Volkswirtschaftslehre und Gesundheitsökonomie, Andreas Beivers, sieht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als „wegweisend im Kontext der geführten ordnungspolitischen Diskussionen.“ Diese könne die Dynamik des Insolvenzgeschehens signifikant beeinflussen: „Die aktuelle Quersubventionierung von Häusern öffentlicher Träger führen verständlicherweise zu Unmut und Unverständnis bei den privaten und freigemeinnützigen Trägern. Denn die Finanzierung von Defiziten durch Steuermittel verzerrt den Wettbewerb durch ungleiche Bedingungen und setzt Fehlanreize für Wirtschaftlichkeit oder Effizienz. Dies kann dazu führen, dass ineffizient wirtschaftende Krankenhäuser überleben, während effizientere private oder frei-gemeinnützige Einrichtungen benachteiligt werden“, so Prof Dr. Beivers und ergänzt: „Die Erwartung, dass Verluste immer durch den Staat aufgefangen werden, kann riskante oder ineffiziente Entscheidungen des Managements fördern. Die Last tragen im Zweifel die Steuerzahler, ohne direkten Einfluss auf den Betrieb zu haben. Daraus können auch Fehlallokation resultieren, indem wirtschaftliche Signale wie Nachfrage, Preisgestaltung oder Qualität ignoriert werden.“ Es bleibe abzuwarten, welche weiteren, richterlichen Entscheidungen getroffen werden, so Prof. Dr. Beivers: „Am Ende des Tages ist aus ordnungspolitischer Sicht zentral, was der deutscher Staats- und Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Ernst-Wolfgang Böckenförde in seinem nach ihm benannten Böckenförde-Diktum wie folgt beschreibt: ‚Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann‘. Dies gilt eben auch für die Krankenhausversorgung. Umso bedeutender ist die Äußerung des Bundesverwaltungsgerichtes.“

über AGAPLESION

Die AGAPLESION gemeinnützige Aktiengesellschaft wurde 2002 in Frankfurt am Main von christlichen Unternehmen gegründet, um vorwiegend christliche Gesundheits-einrichtungen in einer anspruchsvollen Wirtschafts- und Wettbewerbssituation zu stärken.
Zu AGAPLESION gehören bundesweit mehr als 100 Einrichtungen, darunter 20 Krankenhausstandorte mit 6.049 Betten, 41 Wohn- und Pflegeeinrichtungen mit 3.668 Pflegeplätzen, sieben Hospize, 32 Medizinische Versorgungszentren, sieben Ambulante Pflegedienste und eine Fortbildungsakademie sowie 14 Pflegeschulen.
AGAPLESION bietet vielseitige Ausbildungsmöglichkeiten in medizinischen, pflegerischen und administrativen Bereichen. Zudem bietet AGAPLESION als praktischer Träger überall Ausbildungen als Pflegefachperson und an einigen Standorten auch das Duale Pflegestudium an. 
22.000 Mitarbeiter:innen sorgen für ganzheitliche Medizin und Pflege nach anerkannten Qualitätsstandards. Pro Jahr werden rund eine Million Patientinnen und Patienten versorgt. Die Umsatzerlöse aller Einrichtungen inklusive der Beteiligungen betragen 1,9 Milliarden Euro.
Die alleinigen Aktionäre der AGAPLESION gAG sind verschiedene traditionsreiche Diakoniewerke und Kirchen. Auch durch diese Aktionäre ist die AGAPLESION gAG fest in der Diakonie verwurzelt und setzt das Wohl ihrer Patientinnen und Patienten, Bewohner:innen sowie Mitarbeiter:innen als Maßstab für ihr Handeln.

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