Corona-Pandemie beschleunigt Digitalisierung

20. Juni 2020

Herr Esau, seit wann bieten Sie die Videosprechstunde an und wie hat sich die Anwendung in den letzten Wochen entwickelt?

Im Diakonieklinikum Rotenburg wurde bereits vor einigen Jahren ein erstes Modell-Projekt zum Thema Online-Psychotherapie gestartet. Ich persönlich habe jedoch erst mit Beginn der Corona-Krise und der damit verbundenen Kontaktbeschränkung begonnen, meine Patienten auch online zu behandeln. Dabei konnte ich dann zum Glück auf die bereits vorhandene Hardware zugreifen. Zu Beginn war die Nachfrage vergleichsweise hoch, ebbte mit der Zeit aber wieder etwas ab. Die meisten Behandlungen werden unter strengen Hygienevorschriften wieder persönlich durchgeführt. 

Waren Sie von Beginn an von der Lösung überzeugt oder zunächst skeptisch?

Ich war skeptisch, ob die Online-Psychotherapie eine echte Alternative zur Therapie mit persönlichem Kontakt darstellt. Nach meinen bisherigen Erfahrungen verstehe ich sie eher als Unterstützung bei klar umgrenzten Indikationen und nicht als Alternative zur Therapie von Angesicht zu Angesicht.

Wie wird die Online-Videosprechstunde von den Patientinnen und Patienten angenommen?

Das war sehr unterschiedlich. Die meisten standen der Option positiv gegenüber, es gab aber auch manche Patienten, die sich ein therapeutisches Gespräch gar nicht vorstellen konnten oder nicht über die entsprechenden Endgeräte verfügten. Gerade beim Thema Datenschutz musste ich viel Aufklärungsarbeit leisten.

Wie kann eine Videosprechstunde Ihren Arbeitsalltag im MVZ erleichtern und wo stößt diese Technik an ihre Grenzen?

In unserer heutigen Arbeitswelt wird von uns ein nicht unerhebliches Maß an Flexibilität erwartet. Mit Online-Sprechstunden haben wir nun die Chance auch als Behandler flexibel auf die sehr individuellen Bedürfnisse der Patienten einzugehen. Dies hat natürlich auch einen positiven Einfluss auf meine eigene Arbeit, da die Terminvergabe viel besser gestaltet werden kann. Patienten können jetzt einfach von zu Hause oder in der Mittagspause mit mir in Kontakt treten, ohne einen langen Weg in die Klinik in Kauf zu nehmen. Gerade der technische Aspekt stellte mich immer wieder vor Herausforderungen. So machte ich Erfahrung mit unzureichenden Bandbreiten, Firewalls, fehlerhafte Hardware und Verbindungsabbrüchen während einer laufenden Therapiesitzung. Diese technischen Probleme müssten langfristig auf jeden Fall gelöst werden.

Zudem entsteht im Kontakt von Angesicht zu Angesicht eine ganz andere Beziehungsdynamik, welche für die psychotherapeutische Arbeit aus meiner Sicht sehr wichtig ist. Somit ist die Video-Therapie aus meiner Sicht nur dann indiziert, wenn eine Sitzung mit persönlichem, direkten Kontakt die Lebensqualität der Patientin/ des Patienten mehr einschränken würde, als das sie ihr/ ihm helfen könnte.

Wie werden Sie die Möglichkeiten der Online-Videosprechstunde nutzen, wenn die Kontaktbeschränkungen wieder aufgehoben werden?

Ich werde mir die Möglichkeit für Video-Sprechstunden auf jeden Fall offen halten. Als Therapeut ist mir auch daran gelegen, die Therapie für meine Patienten so angenehm und flexibel zu gestalten wie es mir möglich ist. Die Videosprechstunde kann dabei eine echte Unterstüzung darstellen. Den Face-to-Face Kontakt sollte sie aus meiner Sicht aber nicht ersetzen.

Erster bundesweiter Digitaltag

Digitalisierung war schon vor Corona das große Thema und der  Megatrend schlechthin, nicht nur im Gesundheitswesen: Der erste bundesweite Digitaltag am 19. Juni 2020 ist ein Beleg für den großen Stellenwert der Digitalsierung in der Gesellschaft.

Unser Aktionen dazu finden Sie hier >