Lebertumore verkochen als neues Behandlungsverfahren bei Leberkrebs

14. August 2019

Lebertumore verkochen: Was beim ersten Hören etwas verstörend klingt, ist ein wirklich schonendes Verfahren und eine echte Ergänzung zur Operation bei Leberkrebs. Dabei werden Tumore mit Hilfe von Radiowellen oder Mikrowellen zerstört. Wie das Behandlungsverfahren genau funktioniert, erklärt Prof. Dr. H. Bernd Reith, Chefarzt der Allgemein-, Viszeralchirurgie und Proktologie der AGAPLESION DIAKONIE KLINIKEN KASSEL.

Sie verkochen hier in Nordhessen als einzige Klinik Lebertumore. Was sind die Vorteile dieses Verfahrens?

H. Bernd Reith: Diese Heilmethode ersetzt entweder eine offene Operation oder wird als Ergänzung zu einer Chemotherapie durchgeführt. Auf jeden Fall handelt es sich um ein relativ schonendes, minimalinvasives Verfahren. Bei jeder offenen OP hingegen müssen Sie immer einen deutlichen Verlust an Gewebe einkalkulieren. Das verlangt dem Körper, gerade von Menschen, die sich einer Chemotherapie unterziehen, eine große Heilungsanstrengung ab.

In welchem Stadium einer Leberkrebserkrankung wird das Verkochen denn angewendet?

H. Bernd Reith: Das Verfahren kann als kurative Methode, aber auch unterstützend angewandt werden, etwa in einer palliativen Situation. Wir stellen uns vor jedem Einsatz die Frage: Wo stehen wir in der Biologie des Tumors? Wenn ich heute drei Metastasen wegoperiere, habe ich dann in ein paar Monaten nicht vielleicht wieder drei neue da? Ein Beispiel: Der Urologe schickt uns einen Patienten, der eine Chemotherapie macht und bei dem zehn Metastasen auf der Leber aufgetaucht sind. Wie können wir die Tumormenge reduzieren, ohne den Patienten durch eine aggressivere Chemotherapie oder eine offene Operation weiter zu schwächen? Wenn wir mit unserem Verfahren die drei größten Tumore wegbekommen und die Chemotherapie weiterläuft, stehen die Chancen besser, auch die kleineren zu erreichen – und gleichzeitig den Patienten stabil zu halten.

Wie muss ich mir das Verkochen genau vorstellen?

H. Bernd Reith: Wir versuchen mit einer Art Nadelsystem unter Ultraschall oder CT-Kontrolle durch die Haut an den Tumor zu gelangen – bei schlecht erreichbaren Stellen nutzen wir die Laparoskopie und blasen den Bauchraum mit einem ungefährlichen Gas etwas auf. Das trennt sonst eng aneinander liegende Organe räumlich voneinander und gibt uns den Platz, besser an den Tumorherd zu kommen. Als nächstes stechen wir in den Tumor und erzeugen in seinem Zentrum mit Hilfe der Elektrode ein Stromfeld mit einer Temperatur zwischen 50 und 60 Grad. Bei dieser Zielgröße können wir uns sicher sein, dass an der betroffenen Stelle die körpereigenen Eiweiße, also die Baustrukturen des Tumors, zerstört werden. Das passiert bei etwa 42 Grad bis 45 Grad. Die Nadel ist so konfiguriert, dass wir nur ein bestimmtes, kreisförmiges Volumen von einem bis maximal fünf Zentimetern erreichen. Dann ist es, das sage ich meinen Patienten manchmal im Spaß, wie beim modernen Kochen Zuhause: langsam und lange Zeit garen.

Wird das angrenzende Gewebe dadurch nicht geschädigt?

Reith: Nur ein paar Millimeter und das wollen wir bis zu einem gewissen Grad sogar erreichen. Beim Operieren würden wir ja auch einen Sicherheitsabstand von einen halben Zentimeter an gesundem Gewebe abschneiden, um den Tumor komplett zu erwischen.

Warum setzen Sie neben der Radiofrequenz- auch noch die Mikrowellenablation ein?

H. Bernd Reith: Auf dem Areal, das man Verkochen möchte, spielt Kühlung eine große Rolle. Jedes Blutgefäß, auch wenn es nur 37 Grad warm ist, wirkt da wie eine Kühlader und transportiert Wärme ab. Sie können sich den Tumor grob als Kugel vorstellen, die es zu verkochen gilt. Sind mehrere Blutgefäße in der Nähe, dann erzielen wir mit der Radiofrequenz-Ablation keine Kugelform mehr, die Kugel wird durch die kühlenden Blutgefäße etwas eingedellt. Dieses Phänomen existiert bei der Mikrowellenablation nicht, sie erhitzt alles gleichmäßig bei etwas höheren Temperaturen. Wenn wir also sehen, dass der Tumor in einem Bereich liegt, in dem sich viele Gefäße befinden, fragen wir uns: Können wir die opfern? Das kann man in aller Regel, da die Leber sehr viele Umgehungskreisläufe hat.

Wie geht es nach dem Eingriff weiter?

H. Bernd Reith: Wir kontrollieren, ob die Leberwerte in Ordnung sind oder ob es sonstige Körperreaktionen gibt. Das können Fieber oder Schmerzen sein, diese würden wir dann medikamentös behandeln. Sobald das alles in Ordnung ist, können die Patienten in der Regel nach zwei Tagen entlassen werden – viel schneller als bei einer offenen Operation.

Behandlungsverfahren: Tumore verkochen

Bei der Radiofrequenz-Ablation und der Mikrowellenablation werden Tumore mit Hilfe von Radiowellen oder Mikrowellen zerstört. Dazu wird eine Sonde in den Körper eingeführt und der Tumor so erhitzt, dass sie „verkochen“.

Das Verfahren ist eine von mehreren Optionen im Therapiemix bei Leberkrebs. Es wird bei Metastasen und bei lebereigenen, bösartigen Tumoren eingesetzt.